Emetophobie – die panische Angst vor dem Erbrechen

Wie die Angst das Leben Betroffener einschränkt und wie sie behandelt werden kann

Emetophobie: junge Frau sitzt im Bett und hält sich den Bauch

Spoiler

  • Emetophobie ist die krankhafte Angst, sich zu erbrechen oder dabei zu sein, wenn eine andere Person sich übergibt.
  • Die Erkrankung äussert sich vor allem im Vermeiden von Situationen, die zu Erbrechen führen: soziale Isolation, damit man andere dabei nicht beobachten muss, sowie ein verändertes Essverhalten, um Übelkeit zu verhindern. Hinzu kommen durch die Angst verursachte Übelkeit, ggf. Anzeichen von Unterernährung und typische Angstsymptome wie Schwitzen, Zittern und Herzrasen.
  • Mit einer Verhaltenstherapie kann Betroffenen oft gut geholfen werden, sodass die Emetophobie ihren Alltag nicht mehr so stark beeinträchtigt.

Ganz von vorn: Was ist Emetophobie?

Für fast alle Menschen ist erbrechen sehr unangenehm. Bei Personen mit Emetophobie stellt sich jedoch über diese natürliche Abscheu hinaus eine irrationale Angst oder sogar Panik vor dem Erbrechen ein. Sie empfinden nicht erst Furcht, wenn es so weit ist, sondern schon der Gedanke daran führt zu Angstzuständen. Meist ist den Betroffenen vollkommen bewusst, dass ihre Emotionen deutlich extremer sind als bei anderen, sie können jedoch nicht genau benennen, was so schlimm am Erbrechen ist. Bisher ist noch nicht abschliessend geklärt, wodurch Emetophobie entsteht, jedoch geht man davon aus, dass traumatische Erlebnisse in der Kindheit und eine gewisse Empfänglichkeit für diese Angststörung wie schneller Ekel ein grosser Faktor sind. Die meisten Betroffenen können sich an ein konkretes Ereignis in jungen Jahren erinnern, beispielsweise eine schwere Magen-Darm-Grippe oder ein sich übergebendes Geschwisterkind, in dem sie die Wurzel ihrer Erkrankung vermuten. Emetophobie äussert sich vor allem im Meiden von angstauslösenden Situationen und in grossem Unbehagen, ist man den Szenarien ausgesetzt. Kommt es zu eigenem oder fremdem Erbrechen, zeigen sich typische Angstreaktionen wie Schweissausbrüche, Herzrasen, Schwindel, Zittern oder Schmerzen in der Brust. Das Vermeidungsverhalten führt zu einer sozialen Isolation, da Partys mit Alkoholkonsum, Restaurantbesuche, Autofahren, Flüge, Reisen und Co. Übelkeit verursachen können. Zudem werden häufig Lebensmittel gemieden, welche mit Erbrechen assoziiert werden: Eier, Meeresfrüchte, generell ein Völlegefühl von zu viel Essen. Dadurch kann sich eine Essstörung entwickeln und manche Personen zeigen eine Unterernährung. Das Problem bei einer unbehandelten Emetophobie: Die permanenten Angstgefühle verursachen selbst bereits Übelkeit, sodass ein Teufelskreis entsteht. Jeder Gedanke an Essen oder ein kleines Magengrummeln können bereits die Furcht auslösen.

Zahlen und Fakten

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, sind nur etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung betroffen, die Dunkelziffer wird wahrscheinlich aber sehr viel höher sein.

  • 47,3 Prozent der Befragten haben nur Angst vor dem eigenen, 12,7 Prozent vor dem fremden Erbrechen und für 35,5 Prozent sind beide Szenarien gleich schlimm.
  • 83,2 Prozent der Betroffenen sind weiblich.
  • Durchschnittlich beginnen die Angstgefühle mit zehn Jahren.

Vielen Betroffenen ist nicht bewusst, dass sie an einer behandelbaren Angststörung leiden. Erst wenn der Leidensdruck und die Einschränkungen im Alltag zu gross werden, suchen sie sich Hilfe. Dabei kann eine Therapie zu einer enormen Verbesserung führen. Bereits Kinder können davon profitieren.

Achtung, Verwechslungsgefahr

Die Diagnose einer Emetophobie ist nicht immer einfach, da es bei den Symptomen viele Überschneidungen mit anderen Erkrankungen gibt. Aufgrund der verringerten Nahrungsaufnahme wird häufig zuerst eine Magersucht oder ein Reizdarmsyndrom vermutet. Hinzu kommt auch der Verdacht auf Zwangsstörungen, weil beispielsweise aus Angst vor Keimen übertrieben oft die Hände gewaschen werden. Oder durch die Isolation kann eine soziale Phobie vermutet werden. In den meisten Fällen lässt sich Emetophobie jedoch auf den zweiten Blick abgrenzen, denn die Beweggründe sind oft andere: Die Hände werden gewaschen, um sie von Keimen zu befreien und das erscheint Betroffenen sinnvoll. Im Gegensatz zur Magersucht sind EmetophobikerInnen mit ihrem Untergewicht nicht zufrieden und würden gerne zunehmen. Und es besteht nicht die Angst vor Sozialkontakten, sondern ganz konkret vor deren Erbrechen.

Behandlung der Emetophobie

Wurde die richtige Diagnose gestellt und sind Betroffene bereit, sich helfen zu lassen, arbeitet man meist in einer kognitiven Verhaltenstherapie an der Störung. Zentral ist dabei die Konfrontation mit der Angst. Aber keine Sorge, Patientinnen und Patienten müssen sich dafür nicht erbrechen, denn das könnte die Ausprägung noch weiter verschlimmern. Stattdessen wird mit Videos, Bildern, Geräuschen und Gerüchen gearbeitet. Man löst bewusst Schwindel oder Druck auf dem Bauch aus und geht durch die Angst hindurch. Dazu gehört auch, sich den vorher gemiedenen Situationen auszusetzen, also auf Feste zu gehen und bestimmte Lebensmittel zu konsumieren. Durch die stetige Wiederholung wird gelernt, dass die schlimmen Befürchtungen nicht eintreffen. Damit die Behandlung erfolgreich ist, müssen die Patientinnen und Patienten viel Motivation mitbringen und bereit sein, sich ihrer Angst zu stellen und diese bewusst zu durchleben. Konzepte wie Achtsamkeit und Meditationen können dabei sehr hilfreich sein. Die Angst-Übelkeit selbst kann durch Atemübungen kontrolliert werden. Ergänzend zur Symptomarbeit wird mit einer tiefenpsychologischen Therapie an den Auslösern gearbeitet. Schritt für Schritt kann die Emetophobie so überwunden werden und damit der Weg geebnet in ein selbst- und nicht von der Angst bestimmtes Leben.

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